Ratgeber Pressluft

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Autor Daniel L. (aka “NC9210”) hat einen sehr interessanten, umfangreichen und reich bebilderten Ratgeber über die Verwendung von Pressluft für Schützen verfasst. Viel Spaß beim Lesen und einen herzlichen Dank an Daniel für diesen hilfreichen Artikel.

Gunimo, Juni 2017

 

Ratgeber Pressluft

Ohne Zweifel ist Pressluft derzeit das optimale Antriebsmedium. Es ist aber einigermaßen unübersichtlich, was man als Anwender benötigt und wie man sein Equipment am besten zusammenstellt. Dieser Artikel soll wichtiges Wissen und Tipps zum Thema vermitteln.

Die erste Frage ist immer: Woher kann man Pressluft beziehen? Gängige Quellen sind Tauchshops, Gashändler oder manche Waffenläden. Die Pressluft selbst ist preiswert (bei “Frankonia” werden Flaschen für Schützen sogar kostenlos befüllt) aber es entsteht ein hoher Aufwand, wenn kein Anbieter in zumutbarer Entfernung zu finden ist. Die Frage nach der Verfügbarkeit sollte daher immer zuerst geklärt werden.

Ist ein Anbieter gefunden, steht die Frage nach dem Speicher an. Man verwendet meist Druckflaschen, die es in unterschiedlichen Größen und aus verschiedenen Materialien gibt. Relativ günstig aber schwer und unhandlich sind Stahlflaschen. Dabei kann man zwischen Industrieflaschen und Atemluftflaschen, die für Taucher oder Feuerwehren angeboten werden, unterscheiden. Industrieflaschen sind in der Regel grau mit einer grünen Schulter und haben einen flachen Boden so dass sie stehen können. Gängige Größen sind 5, 10, 20 und 50 Liter. Atemluftflaschen sind nicht einheitlich lackiert. Größen von 2  bis 12 Liter sind üblich. Oft haben diese einen runden Boden so dass man diese besser liegend verwendet. Weil Atemluftflaschen von den Verwendern auf dem Rücken getragen werden gibt es auch welche aus Aluminium oder CFK. Solche Flaschen sind deutlich leichter aber auch teurer.

Abbildung oben: Industrieflaschen mit 2, 5, 10 und 20 Litern.

 

Druckflaschen unterliegen der Druckbehälterverordnung und daher müssen diese regelmäßig geprüft werden. Für Industrieflaschen ist die Prüfung alle 10 Jahre, für Atemluft alle 2 bzw. 5 Jahre fällig. Die Atemluftflaschen können umgewidmet werden so dass Sie auch der 10 Jahres-Prüfpflicht unterliegen. Dafür müssen Sie aber neu lackiert werden (grau/grün). Aufpassen muss man bei den CFK-Flaschen. Diese haben eine begrenzte Lebensdauer die nicht verlängert werden kann! Aus diesem Grund kann man solche abgelaufenen Flaschen - die als Neuware absurd teuer sind - sehr preiswert kaufen. Die werden durch den Zeitablauf auch nicht schlechter, aber kein gewerblicher Anbieter darf solche Flaschen befüllen. Das macht also nur Sinn wenn man einen eigenen Kompressor oder Zugang dazu hat.

Die Auswahl der Flasche muss sich an den persönlichen Umständen ausrichten. Eine 20-Liter-Flasche steht sehr sicher und reicht für einen langen Zeitraum, wiegt allerdings ca. 40 kg. Wenn viele Treppenstufen im Weg sind ist das keine gute Idee. Eine 5-Liter-Flasche ist sehr handlich, nur muss man diese häufiger befüllen lassen. Das ist nur bei kurzen Wegen sinnvoll. Es gibt Gas-Händler die auch gefüllte Flaschen versenden (die Regel ist der Versand von leeren Flaschen). Damit kann man sofort starten.

Bild oben. Atemluft-Flaschen: 0.65, 2, 4, 6 und 6.8 Liter.

                                          

Fotos oben: Ständer für Atemluftflasche wie sie bei Feuerwehren in Gebrauch sind.

 

200 oder 300 Bar?

Ganz klar: Eine Neuanschaffung sollte immer für 300 Bar zugelassen sein, selbst wenn in vertretbarer Entfernung nur 200 Bar Pressluft angeboten wird. Das wird sich ändern, denn auch Taucher verwenden immer häufiger die 300-Bar-Flaschen. Es passt einfach sehr viel mehr hinein. Für den Taucher sind das 50% mehr Luft bei gleicher Größe, Schützen profitieren noch sehr viel mehr! In einer 10-Liter-Flasche mit 300 Bar befinden sich 3000 Liter Luft. Für den Schützen ist eine Flasche bei einem Restdruck von 140 Bar als leer zu betrachten. Das Füllen einer Kartusche macht dann nur noch wenig Sinn. Man kann also ca. 1600 Liter Luft entnehmen bis eine neue Füllung ansteht. Aus einer 200-Bar-Flasche mit 10 Litern kann man unter gleichen Bedingungen nur 600 Liter Luft entnehmen, also gut ein Drittel. Darüber hinaus werden auch die 200-Bar-Kartuschen bei der Füllung an der 200-Bar-Flasche nur genau einmal voll. Danach lässt der Druck nach und es ist mit jedem Mal weniger Druck in der Kartusche. Aus einer 300-Bar-Flasche kann man seine Kartuschen sehr lange auf volle 200 Bar bringen.

Ängstliche Zeitgenossen und Bedenkenträger werden jetzt eine Fülle schwererwiegender Einwände parat haben, allerdings offensichtlich aus reiner Unkenntnis und diffusen Ängsten. Viele erfahrene Schützen verwenden 300-Bar-Flaschen seit Jahren problemlos um ihre Kartuschen mit 200 Bar zu füllen. Wer das Auffüllen von Kartuschen im Rahmen eines Gewerbes anbietet, muss allerdings die Arbeitsschutzverordnung beachten. Dann ist die Verwendung eines Druckminderers notwendig, der den Druck aus der Flasche auf 200 Bar reduziert. Das kann auch z.B. in einem Verein sinnvoll sein, der Jugendlichen den Zugang zu Pressluftflaschen ermöglicht. Solche Druckminderer gibt es aus industrieller Verwendung (sehr teuer) und inzwischen auch speziell für Sportschützen z.B. von “Huma”.

 

Alternativen

Wer keinen Anbieter in vertretbarer Entfernung hat (oder nicht von Dritten abhängig sein will) kann eine Pressluftpumpe oder einen Kompressor verwenden. Pressluftpumpen gibt es von diversen Anbietern. Qualitativ sind alle auf hohem Niveau. Realistisch ist eine Füllung mit 200-250 Bar Druck gut zu erreichen, wobei das Pumpen zum Ende hin deutlich anstrengender wird. Die Kartusche einer Luftpistole ist relativ schnell auf 200 Bar gebracht. Eine lange Gewehrkartusche auf 250 Bar oder mehr zu pumpen ist echter Kraftsport.

    

Die Pressluftpumpe von Hatsan mit Schlauch und dem Flaschengewindeadapter. Unter dem Schlauch ist die Entlüftungs- und Entwässerungsschraube zu sehen. (Bild links)

Eine 4-Kolben-Pumpe die von verschiedenen Anbietern vertrieben wird. Unter dem Manometer ist die Entwässerung. (Bild rechts)

 

Die Pumpen sind überwiegend mit einem G5/8"-Gewinde ausgestattet (wie auch die Pressluftflaschen), sodass die üblichen Fülladapter ohne weiteres passen. Die Pumpe von Hatsan hat einen G1/8"-Anschluss an dem ein Schlauch angeschlossen wird. An diesen kann dann ein Quick-Fill-Adapter oder ein Gewinde-Adapter für das G5/8"-Gewinde (im Lieferumfang enthalten) befestigt werden. Wer einen Quick-Fill-Anschluss hat spart damit das Füllset.

Durch das Komprimieren der Luft kondensiert der größte Teil der Luftfeuchtigkeit zu Wasser, weil die Wasseraufnahme der Luft nur vom Volumen und der Temperatur, aber nicht von der Masse der Luft abhängig ist. Bei 20°C enthält ein m³ Luft ca. 20g Wasser. Beim Füllen einer Kartusche mit 200cm³ fallen also bis zu 1,2 ml Wasser an. Dieses Wasser führt zu Korrosion in den Kartuschen, Ventilen und Regulatoren . Die Pumpen haben daher einen einfachen Wasserabscheider der regelmäßig zu entleeren ist. Trocknungsmittel im Ansaugbereich der Pumpe sind weitgehend wirkungslos weil die unkomprimierte Luft relativ trocken ist. Kleinere Pressluft-Kompressoren aus europäischer Produktion beginnen bei ca. 2000,- Euro. Damit kann man auch große Flaschen füllen. Der aufwändige Wasserabscheider sorgt für wirklich trockene Luft. Diese sind für Vereine mit einer größeren Anzahl an Mitgliedern sicher eine sinnvolle Alternative. Für Privatpersonen wird das wohl eher die Ausnahme bleiben.

Foto oben: 3-stufiger Industriekompressor mit automatischem Wasserabscheider.

 

Von den Firmen “Gehmann” und “Kettner” wurde vor einigen Jahren ein kleiner Schützenkompressor vertrieben, der im Grunde eine elektrisch betriebene Pumpe war. Solche Geräte werden gelegentlich gebraucht für ca. 300€ - 500€ angeboten. Gedacht waren sie zum direkten Füllen der Kartuschen, mit einer Flasche sind sie jedoch überfordert.

Aus chinesischer Produktion kommen kleine Kompressoren für Preise zwischen 500 und 1000 € (incl. Fracht und Steuern) auf den Markt. Die ersten Erfahrungen damit sind durchweg gut. Wie haltbar diese Geräte sind, muss sich aber erst noch zeigen. In den Niederlanden gibt es bereits die ersten lokalen Anbieter die solche Geräte verkaufen. Auch wenn das etwas teurer ist hat man zumindest einen Garantieanspruch und jemanden an den man sich wegen ggf. benötigter Ersatzteile wenden kann. Auch diese Geräte sind in erster Linie zum direkten Füllen der Kartuschen gedacht. Eine Pressluftflasche braucht man als Besitzer eines solchen Geräts nicht.

Foto oben: Chinesischer Kleinkompressor.

 

Anschlüsse

Irgendwie muss die Pressluft jetzt noch in die Kartusche. Es gibt zwei verbreitete Möglichkeiten. Bei den meisten deutschen Herstellern schraubt man die Kartuschen zum Nachfüllen heraus. Ein Fülladapter mit einem G5/8"-Gewinde, welches auf die Pressluftflaschen und die meisten Pumpen passt, ist bei diesen Herstellern im Lieferumfang enthalten. Dieser Adapter wird auf die Flasche bzw. Pumpe geschraubt. Bitte nur handfest anziehen, sonst wird leicht die Dichtung beschädigt. Auf diesen Adapter schraubt man die Kartusche. Jetzt wird das Ventil gefühlvoll geöffnet und die Luft strömt in die Kartusche. Dabei erwärmt sich die Kartusche. Wenn der gewünschte Druck erreicht ist, schließt man das Ventil und schraubt die Kartusche ab. Eine Entlüftung ist in der Regel nicht notwendig.

    

Fotos oben: Die Gewinde der Fülladapter sind unterschiedlich lang. Zusätzlich ist noch ein Absatz vorhanden der die Verwendung eines 200-Bar Verbrauchers an 300 Bar Flaschen verhindert aber für 300-Bar- Verbraucher kompatibel zu 200-Bar-Flaschen ist.

    

Fotos oben: Ventilgewinde für 200 und 300 Bar sind unterschiedlich tief. Die mittige Bohrung ist beim 300 Bar Ventil kleiner.

  

Fotos oben: Adapter passen die Gewinde an. Der linke wird unter das Gewinde des Fülladapters geklemmt. Eine etwas fummelige aber preiswerte Lösung. Der Mittlere stellt einen regulären 200-Bar Anschluß zur Verfügung, der Rechte ist durch die Überwurfmutter drehbar.

 

Wer eine 300-Bar-Flasche verwendet wird allerdings feststellen, dass Fülladapter für 200-Bar-Kartuschen in der Flasche nicht dicht werden. Um einer ungewollten Verwechslung vorzubeugen sind die Gewinde der Flaschen unterschiedlich tief. Man benötigt einen 200/300-Bar-Fülladapter der ca. 13,- Euro kostet (manche Anbieter verlangen sehr viel mehr) und ein 200-Bar-Gewinde zur Verfügung stellt.

Die andere Möglichkeit wird als “Quick-Fill” bezeichnet. Sie ist entwickelt worden um fest verbaute Kartuschen zu füllen, wird aber zunehmend auch an Wechselkartuschen verwendet weil es sehr viel praktischer ist als herausschrauben. Die Hersteller legen auch hier einen Füllnippel bei der mit einem G1/8"-Gewinde an einem Schlauch befestigt wird. Der Schlauch wiederum wird an der Pressluftquelle angeschlossen. Der Füllnippel wird dann direkt in einen Anschluss an der Kartusche gesteckt.

Fotos oben: Das Füllset von FX.

Tricky: FX verwendet übliche Reinigungs-Filze als Filter (Foto oben)

  

Foto oben links: Fülladapter an einer “FX”Foto oben rechts: Fülladapter an einer “FX” (offener Anschluss)

 

Der Schlauch mit Anschluss wird als Füllset bzw. Füllschlauch von diversen Herstellern angeboten und muss zusätzlich erworben werden. Es gibt einfache Füllschläuche (z.B. von “Walther”) die um 45,- € kosten und komfortable (z.B. von “FX”) für ca. 90,- €.

Drei Dinge unterscheiden die diversen Angebote:

- Es muss eine Entlüftung vorhanden sein. Wenn man den Füllnippel unter Druck einfach herauszieht werden die Dichtungen beschädigt.

- Ein Manometer am Anschluss erleichtert die Überwachung des Fülldrucks.

- Wer Kartuschen von verschiedenen Herstellern hat sollte ein Füllset mit Schnellwechselverschluss verwenden. Dabei wird am Ende des Schlauches eine Kupplung befestigt. Die Füllnippel werden in ein Kupplungsstück geschraubt das in der Kupplung einrastet. So können die Füllnippel bequem gewechselt werden.

Der Hersteller “Daystate” verwendet direkt das Kupplungssystem an seinen Kartuschen (ohne weitere Adapter) - Fotos oben. Auch andere Hersteller folgen zunehmend diesem Beispiel (z.B. “Cometa”, “Brocock”, “Benjamin”, “Crosman”, “Logun”, “Ripley”, “Thoeben”). Damit ist man für alles gewappnet.

Fotos oben: Ein anderes Füllset aus England

    

Foto oben links: Fülladapter mit Entlüftung (Diana) - Foto oben rechts: Zwei einfache Füllschläuche ohne Manometer, einmal mit und ohne Entlüftung

Foto oben: Entlüftung am Schlauchende (Schiebemuffe). Vorteil: der Schlauch wird nicht entleert.

Foto oben: Füllarmaturen aus dem Paintball-Bereich. Komfortabel ist die Entlüftung mit einem Druckknopf.

    

Fotos oben: Die Schnellkupplung schließt mit Kugeln.

Foto unten: Das Gegenstück ist an manchen Füllnippeln bereits vorhanden (FX), oder wird auf den Füllnippel geschraubt:

 

Wie lange hält so eine Flasche?

Das ist pauschal schwer zu beantworten. Die meisten Luftgewehre sind für viel höhere Leistungen ausgelegt, als das hierzulande zulässig ist. Sie werden daher für den Vertrieb in Deutschland nachträglich gedrosselt. Das funktioniert sehr gut, aber der Luftverbrauch bleibt relativ hoch. Moderne Matchgewehre und Luftpistolen, die von vorneherein auf 7,5 Joule ausgelegt sind, verbrauchen sehr viel weniger.

Ein Luftverbrauch von ca. 200 cm³  für einen Schuss mit 7,5 Joule ist nicht ungewöhnlich. Man kann damit leicht rechnen: Eine 10 Liter Flasche mit 300 Bar enthält 3000 Liter Luft. Bei einem Restdruck von 140 Bar sind 1600 Liter verwendbar. Das ergibt ca. 8000 Schuss.  Mit sparsamen Waffen sind auch 15.000 Schuss möglich.

Industrieflaschen mit 20 (vorne) und 10 Litern (hinten rechts). An der vorderen ist ein Druckminderer für 200 Bar montiert, an der hinteren einer für LEP's mit 230 Bar.

Industrie-Druckminderer von 300 auf 200 Bar.

 

Was noch zu beachten ist:

Wenn eine Pressluftflasche umfällt und das Ventil abgeschlagen wird, hat man ein Torpedo im Haus. Die Flaschen müssen daher unbedingt gegen Umfallen gesichert werden. Für den Transport müssen Ventilschutzkappen verwendet werden. Die Flasche muss in Fahrzeugen zuverlässig gegen Verrutschen gesichert werden (z.B. mit Spanngurten). Es gibt Atemluftflaschen mit Ratsche gegen das unbeabsichtigte Schließen des Ventils. Diese sind für Schützen nicht geeignet, weil eine Überfüllung von Kartuschen nicht sicher auszuschließen ist.

Gewinde von Kartuschen sollten nicht mit Öl oder Fett behandelt werden. Zum einen wird es durch die entweichende Luft beim Abschrauben großzügig verteilt, zum anderen sorgt es mit Staub und Schmutz für immer schwergängigere Gewinde. Leichtgängiger werden die Gewinde, wenn man sie mit Wachs behandelt. Wachs ist in Alkohol löslich und bildet so eine dünne Schicht die lange schmiert. Das ist in transparenter Schuhcreme in fast jedem Haushalt vorhanden. Eine sehr dünne Schicht reicht aus. Trockenschmiermittel wie z.B. „Fluna-Tec“ funktionieren auch sehr gut.

Die Füllnippel werden in der Schnellkupplung üblicherweise mit einem „USIT“-Ring abgedichtet. Die halten nicht immer so gut dicht wie man sich das wünscht, vor allem wenn der Rand des Füllnippels dünn ist. Ich setze die Füllnippel daher mit „Loctite 542“ Gewindedichtung ein. Eine normale Schraubensicherung geht auch. Schnellkupplungen aus dem Paintball-Bereich sind mit denen für die Füllsets kompatibel, verwenden aber andere Gewinde (NPT). Die Füllnippel passen nur in BSP-Gewinde.

Foto oben: Die Anzahl verschiedener Füllanschlüsse ist etwas unübersichtlich.

 

Daniel L.

für “muzzle.de”

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GUNIMO

Juni 2017