Smartville

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„Smartville“ – Ideenreiche Fabrik mit zukunftsweisendem Charakter

Zu Beginn der 1990er Jahre hatte der Schweizer Nicolas Hayek (Uhrenhersteller „swatch“) eine visionäre Idee. Er wollte den innerstädtischen Individualverkehr revolutionieren. Keine Parkprobleme mehr, keine Staus. Zu- sammen mit dem finanzstarken „Daimler-Chrysler“-Konzern als Partner entwickelte er das „smart“-Konzept.

„SMart“ ist eine Bergriffsschöpfung, zusammengesetzt aus „Swatch“, „Daimler“ und art (engl. für Kunst). Das dabei ins Auge gefasste Kompaktauto sollte klein, umweltschonend (geringer Benzinverbrauch) und insgesamt kostengünstig sein. Sehr hohe Ziele, welche sich die 1994 gegründete „MCC smart GmbH“ da steckte. Heute weiß man, dass dies nicht vollumfänglich gelang, denn letztlich erreichten die Anschaffungskosten für den „smart“-Winzling das Niveau eines üblichen Kleinwagens. Dennoch ist das Projekt alles andere als ein Miss- erfolg! 

Gefertigt wird der im Volksmund liebevoll aber etwas despektierlich als „Elefantenrollschuh“ bezeichnete Kleinstwagen seit 1997 in der Produktionsstätte „Smartville“, einem innovativen Industriepark bei Hambach in Lothringen (Frankreich). Hervorragende Rahmenbedingungen (*1) in dieser ehemaligen Kohle- und Stahlregion machten diesen Standort für eine Industrieneuansiedelung mit einem Investitionsvolumen von rund 450 Mio. DM attraktiv. 75% dieses Kostenvolumens wurde durch „Daimler Chrysler“ aufgebracht, 25% übernahm die französische „SOFIREM“, eine Gesellschaft zur Unterstützung des Strukturwandels in (ehemaligen) Bergbauregionen.

(*1) Niedrige Lohnkosten, billiges Bauland, gute Autobahn- und Eisenbahnanbindung, eine hohe Zahl qualifi- zierter aber (durch den Niedergang von Bergbau und Schwerindustrie) erwerbsloser Arbeitskräfte, eine ge- setzlich legitimierte 7-Tage-Woche und nicht zuletzt Steuerentlastungen sowie Fördermittel aus EU-Fonds für strukturschwache Regionen.

Die in Kreuzanordnung gebaute „Smartville“-Fertigungsstraße gilt als eine der modernsten und innovativsten Automobilfabrikanlagen, die perfekt optimierte Arbeitsabläufe ermöglicht. Beschäftigt sind im dortigen Pro- duktionsprozess etwa 1.900 Arbeitskräfte (davon ca. 800 „MCC France“/1.100 Systempartner und Zulieferer). In den vier Trakten des Fabrikkreuzes werden unterschiedliche Montageprozesse durchgeführt.

Das Zentrum, der so genannte „Marktplatz“ oder „Bistro“, dient als Sammelraum für die im Rahmen einer Ar- beitsschicht fertig gestellten Fahrzeuge. Nach den dort durchgeführten Abnahmechecks (u. a. Motor-, Dichtungs- und Rütteltest) werden die mängelbehafteten Exemplare für ggf. notwendige Nacharbeiten dort aufgereiht. Diese Vorgehensweise hat natürlich nicht zuletzt auch einen psychologischen Aspekt, denn so bekommen die Mitarbeiter der Schicht einprägsam den Erfolg oder Misserfolg ihrer Arbeit vor Augen geführt und werden so indirekt gleichsam zur Qualitätsverbesserung angespornt. Wer möchte schon gerne Aus- schussware produzieren… ;-)  - Übrigens befindet sich auf dem Werksgelände auch eine Teststrecke.

Das Gebäude im Zentrum des Kreuzes ist mehrstöckig ausgeführt, sodass auch Kantine sowie Dusch- und Umkleideräume zentral liegen und stets über kurze Wege erreicht werden können. Ebenso ist der adminis- trative Bereich teilweise dort untergebracht.

Der „smart“ wird im Werk aus etwa 400 einzelnen Modulen auf Bändern montiert. Es ist eine Fertigungszeit bei der Endmontage im Zweischichtsystem von nur 4,5 h veranschlagt (Gesamtfertigungszeit 8,5 h). Täglich können so bis zu 750 Fahrzeuge produziert werden. Dabei ist „smart“ auf dem Automobilsektor das Unterneh- men mit der geringsten Eigenfertigungstiefe, denn rund 90 % der Produktionsschritte werden von den elf auf dem Industrieparkgelände ansässigen Zulieferern (*2) erbracht, die in von „MCC“ zur Verfügung gestellten Gebäudekomplexen untergebracht sind. „Outsourcing“ („Modular Sourcing“) in Perfektion und wohl einsame Spitze. Die Systempartner liefern nicht nur zum richtigen Zeitpunkt, also “Just in Time“ ihre Teile, sondern auch „Just in Sequence“, nämlich direkt in der richtigen Reihenfolge auf individuelle Bestellung. Damit entfällt eine kostenintensive Lagerhaltung gänzlich. Gleiches gilt übrigens auch für die fertigen Fahrzeuge, die auf konkrete Bestellung produziert und vor ihrer Auslieferung ex firmeneigenem Bahnhof nur wenige Tage stehen.

(*2) Involvierte Firmen: „Magna International“ (Chassis), „Bosch“ (Front), „Dynamit Nobel“/“Magna“ (Verklei- dung/Türen), „Siemens VDO“ (Cockpit, Kabelbäume, Batterien), „Thyssen Krupp“ (Antriebseinheit), „Continen- tal“ (Reifen), „Cubic“/„Surtema-Eisenmann“ (Lackiererei), „TNT“/“MLT“/“Panopa“ (Logistik).

Quellenangaben: Etliche Angaben dieses Artikels sind dem Buch „TERRA“ Erdkunde 9/10 (RS-NRW), „Klett“-Verlag, Auflage 2005, ISBN 3-623-25550-5 entnommen. Einige Information stammen aus Publikationen der „MCC smart GmbH“ (Daimler).   -   Texterstellung:  „Gunimo“ © - www.muzzle.de

GUNIMO

Dezember 2009

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