Notwehrpistole

Die “Notwehrpistole” - ein Kleinod aus den frühen 1950er Jahren

    

Denkt man an Schusswaffen, die zur Selbstverteidugung und Tierabwehr konzipiert sind, dann fallen einem unwillkürlich die Signal- bzw. Schreckschusswaffen ein, die mit Wirkstoffmunition (Gas/Pfeffer), oder auch Platzpatronen (Kartuschenmunition) geladen werden. Der Wirkstoff wird dabei mittels heißer Gase beim Zünden der Treibladung aus dem Lauf befördert.

Bei der Notwehrpistole jedoch handelt es sich um ein Gerät, welches mittels Federdruck seine Arbeit verrichtet. Sie stellt also mit ihrer Funktionsweise im Bereich der Abwehrwaffen eine echte Besonderheit dar. Und u. a. solche Besonderheiten sind es nunmal, die einen Gebrauchsgegenstand irgendwann zu einem Sammlertück werden lassen. So war diese kleine Pistole die erste in Deutschland zur Herstellung zugelassene Notwehr-/Nothilfewaffe nach dem zweiten Weltkrieg.

Eine Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst: Genial einfach, einfach genial und dabei so wirkungsvoll. ;-)

Technische Daten und Funktion:

Maße: 115 x 100 x 20

Gewicht: ca. 150 g

Beschriftung: “D.B.P.a.” und “A.P.a.” (auf beiden Griffschalen)

Typ: Federdruckwaffe, Einzellader

Munition: chemischer Wirkstoff / Kampfstoffampullen (ca. 20 ml Inhalt)

Wirkung: ätzender chemischer Stoff, der Atemnot, Tränenbildung mit vorübergehender Sehbehinderung und Reizung/Entzündung der Schleimhäute auslöst

Reichweite: bis zu ca. 6 m Wirkung, empfohlene Schussentfernung max. 3 m (“Nahkampf”)

Abzussicherung: Blockierschieber an der linken Griffschale

Bauteile: Lauf, Bolzen, Schlagbolzenfeder, Schraubgewindering (Laufmündung), Griffstück mit Abzugseinheit und Sicherung, Griffschalen (linke Schale mit Bügel)

Lieferumfang: Holzladestock als Spann-/Entspannhilfe, Wirkstoffpatronen (Ampullen rot gekennzeichnet), Übungspatrone (zum Füllen mit Wasser), Bedienungsanleitung (Gebrauchsinstruktion)

Wirkungsweise: Der durch eine starke Druckfeder beschleunigte Bolzen im Lauf trifft nach dem Betätigen des Abzuges auf die Wirkstoffpatrone, bringt diese zum Platzen und presst die Kampfstoffflüssigkeit mit hohem Druck aus der Mündung.

Ladevorgang: Mit dem Ladestock die Feder bis zum Einrasten nach hinten in den Lauf pressen. Dazu die Mündung mit eingesetztem Stock z. B. auf den Boden oder eine Tischkante aufsetzen und die Pistole mit der Hand am hinteren Laufende (Heck) nach unten drücken. Die Waffe sollte dabei stets gesichert sein! Verschlussringschraube an der Mündung abschrauben, eine Patrone in den Lauf implementieren (rot lackierte Fläche muss in Richtung Mündung weisen). Verschlussringschraube anschließend wieder auf die Mündung schrauben. Waffe ist nun gespannt, geladen und gesichert.

                                  

Vergleiche: Funktionsweise sogenannter Laufspanner-Federdruckwaffen, die zum Verschießen von Diabologeschossen konzipiert sind.   http://www.muzzle.de/N3/Druckluft/druckluft.html

 

Danksagung: Vielen Dank an H.-P. Franz (Dessau) und “H. B.” für die Einsendung und Freigabe ihrer Fotos für diesen Beitrag.

 

Info:

Grundsätzlich kann und darf ich aufgrund des Fehlens einschlägiger Ausbildung und Profession keine rechtsverbindliche Beratung durchführen. Das heißt, dass alle meine Aussagen lediglich meine Meinung aufgrund von Erfahrungswerten widerspiegeln und als solche zu verstehen sind. Die besagte Notwehrpistole ist, ähnlich wie die Ampullenpistole, technisch gesehen eine Besonderheit und daher m. E. nicht ganz leicht einzustufen.

http://www.muzzle.de/Allgemeines/Notwehrpistole/notwehrpistole.html

http://www.muzzle.de/Allgemeines/Ampullenpistole/ampullenpistole.html

Nach meinem Empfinden ist es sehr fraglich, ob sie aus behördlicher Sicht, einwandfrei den in Deutschland „Freien Waffen“ zuzuordnen sind. Aus diesem Grund habe ich bei beiden Modellen auf einen Erwerb angebotener Exemplare verzichtet und lediglich Artikel darüber verfasst.

Zur Begründung:

Scharfen Schusswaffen entsprechen Sie definitiv nicht, da kein Projektil mittels heißer Gase daraus verschossen werden kann. So weit so klar.

Mit einer klassischen Gas-/Schreckschusswaffe sind sie technisch  im Grunde ebenfalls nicht vergleichbar, aber vom Verwendungszweck her durchaus gleichzusetzen. Denn sie sollen zur Abwehr von Angriffen dienen und sehen einer Schusswaffe ähnlich.  (Anders als z. B. handelsübliche Pfefferspraydosen). Würden sie also rechtlich tatsächlich in den Bereich der „Schreckschuss- / Reizstoff- / Signalwaffen“ (SRS) gehören, würden sie einer Prüfung durch die „Physikalisch Technische Bundesanstalt“ (PTB) benötigen.

Diese vergibt dann, im Falle der Auflagenerfüllung die bekannten „PTB“-Nummern. Da die Notwehrpistole aber in die Vorzeit der PTB-Prüfpflicht fällt, wäre sie formal eine Gaspistole ohne PTB-Kennzeichnung und wäre nicht frei zu besitzen, sondern müsste dann behördlich erfasst und in eine Waffenbesitzkarte eingetragen sein. Und diesbezüglich ist die Gesetzeslage siehe Link:

http://www.muzzle.de/N4/Schreckschuss/Schreckschusswaffen_ohne_PTB/schreckschusswaffen_ohne_ptb. html#Rechtslage

Dann gibt es da noch den Aspekt der sogenannten Anscheinswaffen mit Führverbot. Der würde dann greifen, wenn die Notwehrpistole rechtlich nicht vom Waffengesetz umfasst wäre, also anders als scharfe Schusswaffen und SRS-Waffen. Aber das halte ich für eher nicht gegeben, da ich hier die SRS-Waffen als vergleichbar sehe.

Die Einordnung als Reizstoffsprühgerät, wie z. B. das „Mace Pepper Spray Gun“ (laut Bundeskriminalamt (BKA) eine Anscheinswaffe) ist eher fraglich:  

http://www.muzzle.de/N5/Dekowaffen/Mace_Pepper_Spray_Gun/mace_pepper_spray_gun.html

Siehe zum Thema Anscheinswaffen auch:

http://www.muzzle.de/N5/Dekowaffen/Feuerzeug_Record_GP1S/feuerzeug_record_gp1s.html

Wie schwierig die rechtliche Zuordnung und Einstufung bestimmter Gegenstände tatsächlich ist, das beweist zum Beispiel die Geschichte des “JPX Jet Protector”. Aufgrund ihres Erscheinungsbildes laut offiziellem  “BKA”-Feststellungsbescheid keine Anscheinswaffe:

http://www.muzzle.de/N5/Dekowaffen/JPX_Jet_Protecor/jpx_jet_protecor.html

 

GUNIMO

Mai / Juli 2008, Juli 2012 / Februar 2019